Geschichte

Geschichte

GESCHICHTE

Geboren aus Trümmern und Elend der beiden Welt­krie­ge ent­wi­ckel­te sich die Volks­hil­fe Wien vom Almo­sen­ver­tei­ler zum modernen Sozialdienstleister.

VON ANFANG AN DEN ÄRMSTEN VERPFLICHTET

Die Geschichte der Volks­hil­fe begann bereits in den ersten Jahr­zehn­ten des vorigen Jahr­hun­derts. Schon während des 1. Welt­kriegs orga­ni­sier­ten sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Frauen Aus­spei­sun­gen und Land­auf­ent­hal­te für hungernde Kinder. Eine wichtige poli­ti­sche Figur dieser Zeit war die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Funk­tio­nä­rin Marie Ott. Nach dem Kriegs­en­de startete sie die Initia­ti­ve zum Aufbau einer umfas­sen­den Hilfs­ak­ti­on, die sich vor allem auf Hilfe aus der Schweiz stützte. Ergänzend dazu ent­wi­ckel­te sich eine Aktion der Eisen­bah­ner zur Ver­schi­ckung von Kindern aus Wien und anderen Bun­des­län­dern zu Erho­lungs­auf­ent­hal­ten ins Ausland. Aus der Zusam­men­fas­sung all dieser Bemü­hun­gen entstand 1922 der Verein “Societas”. Maß­geb­li­che Per­sön­lich­kei­ten, wie Amalie Seidl, Gabriele Proft, Adelheid Popp und Leo­pol­di­ne Glöckl, standen an der “Wiege” der Societas. Die Aufgaben, vor denen die Orga­ni­sa­ti­on stand, waren groß: Nach Jahren der Zer­rüt­tung durch einen vier Jahre tobenden Krieg, wurden Hilfs­pa­ke­te aus dem Ausland verteilt. Auch die Obsorge um die unter­ernähr­ten Kinder sowie die Errich­tung von Kinder- und Erho­lungs­hei­men war eine ihrer Hauptaufanliegen.

SOLI­DA­RI­TÄT TROTZ ILLEGALITÄT

Die Aufgaben der Orga­ni­sa­ti­on blieben auch in den folgenden Jahren weit größer als ihre tat­säch­li­chen Mög­lich­kei­ten. Das Haupt­au­gen­merk galt weiterhin den Arbeits­lo­sen und ihren Familien, daneben wurden aber auch immer wieder Akte der inter­na­tio­na­len Soli­da­ri­tät gesetzt. Die SAH, die Sozia­lis­ti­sche Arbei­ter­hil­fe, löste im Jahr 1934 die Societas ab und bot den Opfern der Febru­ar­un­ru­hen 1934 Unter­stützung. In der Illegalität arbeitete sie bis 1938 unter den größten Opfern. Doch auch unter diesen widrigen Umständen gab man den Willen zu helfen niemals auf. In der Illegalität unter­stütz­te die Sozia­lis­ti­sche Arbei­ter­hil­fe (SAH) vor allem Familien von Ver­folg­ten. Anfangs kam über die Tsche­cho­slo­wa­kei und die Schweiz auch noch Unter­stützung aus dem Ausland. Die meisten Akti­vis­ten setzten ihre Arbeit auch unter den wesent­lich gefähr­li­che­ren Bedin­gun­gen der NS-Diktatur fort. Viele wurden selbst zu Opfern des Terrors, nur weil sie Geld gesammelt oder bloß gespendet hatten. Im Jahr 1938 wurden sogar einige Mitarbeiter*innen verhaftet und schließ­lich wurde die SAH durch die damaligen poli­ti­schen Gegner aufgelöst.

NEUSTART NACH DEM KRIEG

Nach Been­di­gung des 2. Welt­krie­ges herrsch­ten in Österreich chao­ti­sche Ver­hält­nis­se. Österreich und besonders Wien waren aus­ge­blu­tet – die Männer waren meist auf dem Schlacht­feld geblieben. Es herrschte eine Not, deren Ausmaß wahr­schein­lich nur ermessen kann, wer diese Zeit damals miterlebt hat.
Kurz nach Kriegs­en­de liefen die Hilfs­ak­tio­nen wieder an und im Herbst 1945 setzte auch die Unter­stützung aus dem Ausland ein. Dabei spielten öster­rei­chi­sche Emi­gran­ten eine wichtige Rolle. In der SPÖ bildeten Rudolfine Muhr, Marie Matzner und Frieda Nödl ein erstes Zentrum zur Koor­di­nie­rung dieser Bemü­hun­gen. Zunächst gab es Bestre­bun­gen, die “Societas” neu zu beleben, doch schließ­lich setzte sich die Auf­fas­sung durch, dass die neuen Ver­hält­nis­se eine neue Orga­ni­sa­ti­ons­form notwendig machten – die Volks­hil­fe wird geboren.

DIE GEBURTS­STUN­DE DER VOLKSHILFE

Unmit­tel­bar nach Kriegs­en­de unter­brei­tet Bruno Kreisky Josef Afritsch den Vorschlag, ein auf Ver­eins­ebe­ne aus­ge­rich­te­tes und der Arbei­ter­be­we­gung nahe stehendes Für­sor­ge­insti­tut ins Leben zu rufen. Am 21. März 1947 schlägt dann die Geburts­stun­de der Volks­hil­fe – initiiert von Größen wie Bruno Kreisky, Stadtrat Josef Afritsch, Hermine Moik und Maria Matzner. Luise Renner, Gattin des Bun­des­prä­si­den­ten,  wird die erste Prä­si­den­tin des Verbandes Volks­hil­fe, der als “gemein­nüt­zi­ger und unpo­li­ti­scher Verein, kari­ta­ti­ve Wohl­fahrts­pfle­ge im Sinne von Gemein­schafts­hil­fe und Mild­tä­tig­keit ohne Rücksicht auf poli­ti­sche und kon­fes­sio­nel­le Zuge­hö­rig­keit” ausüben soll. Am selben Tag findet auch die Grün­dungs­ver­samm­lung des “Wiener Lan­des­für­sor­ge und Wohl­fahrts­ver­ei­nes Volkshilfe”statt. Die Frau des Vize­kanz­lers, Hilde Schärf, wurde erste Vor­sit­zen­de. In den dar­auf­fol­gen­den Monaten werden weitere Lan­des­or­ga­ni­sa­tio­nen gegründet. Die ehe­ma­li­gen Mitarbeiter*innen der Societas und der SAH hatten gute Bezie­hun­gen zum Ausland. Ihnen wurden Lebens­mit­tel­pa­ke­te, Medi­ka­men­te und Geld­spen­den zur Ver­tei­lung anvertraut.

VIEL­FÄL­TI­GE HILFE

Die Schwer­punk­te, denen sich der “Wohl­fahrts­ver­ein Volks­hil­fe” in den nächsten Jahren widmen wird, sind breit gestreut: Errich­tung von Kin­der­hei­men, Ver­sor­gung von Heim­keh­rern, Erwach­se­nen­be­treu­ung, Kran­ken­für­sor­ge, Betreuung der Einsamen und Alten, Mut­ter­tags- und Weih­nachts­fei­ern, Betreuung der Ange­hö­ri­gen von Inhaf­tier­ten, Stu­den­ten­hil­fe, Sti­pen­di­en, ärztliche Betreuung Rechts­be­ra­tung, Flücht­lings­hil­fe im Inland und Hilfen an das Ausland im Kata­stro­phen­fall. Von der Wiener Lan­des­or­ga­ni­sa­ti­on werden Heime für Kinder und Jugendliche in Kohlreith, Ybbs, Gars am Kamp, Ellinghof, Allent­steig, Donaudorf und Altenberg bei Grei­fen­stein gegründet. In der Hin­ter­brühl wird ein Frau­en­er­ho­lungs­heim errichtet. Vor allem die Ungarn­hil­fe 1956, die Hoch­was­ser­ka­ta­stro­phe in der Ober­stei­er­mark 1958, sowie die Betreuung der CSSR-Flücht­lin­ge im “Prager Frühling” werden zur großen Bewäh­rungs­pro­be der Volkshilfe.

KINDER

Die erste Aufgabe der Volks­hil­fe nach dem Krieg bestand darin, die ärgste Not der Nach­kriegs­zeit zu lindern. Mit Hilfe befreun­de­ter aus­län­di­scher Organisationen machte man sich daran, viele der unter­ernähr­ten und ver­stör­ten Kinder in Erho­lungs­hei­me zu schicken und sie die Schrecken des Krieges vergessen zu lassen. Bereits im Jahr 1951 hat die Wiener Volks­hil­fe seit ihrem Bestehen fast 20.000 Kinder betreut!

Nahe Grei­fen­stein betrieb die Volks­hil­fe Wien ein Kin­der­heim im Schloss Altenberg, in dem jeweils 80 bis 85 Kinder eine Ersatz­hei­mat fanden. 1968 wurde dann auch noch das Kin­der­wohn­heim in Pitten eröffnet, das bisher nur als Feri­en­heim Ver­wen­dung fand. Beide Heime wurden als Geschwis­ter­hei­me geführt, in denen auch mehrere Kinder einer Familie über­nom­men werden konnten.

In diesem Zusam­men­hang muss aber auch ein dunkles Kapitel unserer Geschichte genannt werden:

Anfang der 70er Jahre unter­such­te Irmtraud Karlsson als Beamtin der Stadt Wien die Gege­ben­hei­ten in 34 Wiener Heimen: Demnach kam es im  Kin­der­heim der Volks­hil­fe Wien, im Schloss Altenberg, zu Über­grif­fen, Miss­hand­lun­gen und sexuellem Miss­brauch an den uns anver­trau­ten Kindern.

Anfang 2010 wurde bekannt, dass es zwischen 1987 und 1999 auch im Kin­der­wohn­heim Pitten zum Miss­brauch von Kindern gekommen ist. Seitens der Volks­hil­fe Wien wurde die Staats­an­walt­schaft ein­ge­schal­ten. Als Kon­se­quenz wurde auch das Kin­der­wohn­heim Pitten geschlossen.

Wir bitten alle betrof­fe­nen Menschen, die Opfer der Gewalt und des Miss­brau­ches in einer dieser Einrichtungen waren und denen schreck­li­ches Unrecht angetan wurde, auf­rich­tig um Verzeihung!

NACHBAR IN NOT

Kaum war die ärgste Not im eigenen Land über­stan­den, musste man sich neuen Aufgaben stellen, nämlich als in Ungarn 1956 die Revo­lu­ti­on ausbrach und hun­dert­tau­sen­de Flücht­lin­ge den Weg in die Freiheit suchten. Sie kamen mit nichts und mussten mit dem Nötigsten aus­ge­stat­tet werden.
Am 21. August 1968 rollten sowje­ti­sche Panzer durch Prag, Truppen der War­schau­er-Pakt-Mächte besetzten die CSSR. Tausende tsche­cho­slo­wa­ki­sche Bürger*innen, die sich außerhalb des Landes befanden, konnten quasi über Nacht nicht mehr einreisen und standen vor dem Nichts. Vor allem die Volks­hil­fe und die Kin­der­freun­de waren es, die die Initia­ti­ve ergriffen und sofort geeignete Maßnahmen zur Betreuung der CSSR-Bürger*innen ein­lei­te­ten. In den Büro­räu­men der Volks­hil­fe wurde eine Betreu­ungs­stel­le ein­ge­rich­tet. Über 200 ehren­amt­li­che Mitarbeiter*innen stellten ihre Arbeits­kraft zur Verfügung – 24 Stunden rund um die Uhr wurde Betreu­ungs­ar­beit geleistet. Im Laufe der Ereig­nis­se konnten somit 50.000 CSSR-Bürger*innen versorgt werden. Im Josef-Afritsch-Heim Hörndl­wald der Wiener Volks­hil­fe entstand ein riesiges Zeltlager, in dem tausende Tsche­cho­slo­wa­ken unter­ge­bracht wurden.

EINE BASTION DES FRIEDENS

“Lasst uns den Hass begraben!” rief der Präsident der Volks­hil­fe, Josef Afritsch, den Fest­gäs­ten zu, als 1951 im Hörndl­wald der Grund­stein zur inter­na­tio­na­len Kul­tur­stät­te gelegt wurde. “Lasst hier in den Gemeinden kleine Bastionen des Friedens und der Mensch­lich­keit entstehen und die Kul­tur­stät­te Hörndl­wald zu einer Bastion echter Freiheit, wahren Friedens und sozialer Gerech­tig­keit werden.” Die Stätte sollte geistiges und inter­na­tio­na­les Stu­di­en­zen­trum sein, in dem Gäste aus Nah und Fern, Lehrer und Lernende zusammen kommen sollten. Nach zahl­rei­chen finan­zi­el­len Hürden und mit Hilfe groß­zü­gi­ger Spender aus der Schweiz und Schweden wurde es möglich, zwei weitere Häuser dazu zu bauen. Rund 150 Gäste konnten in der Kul­tur­stät­te unter­ge­bracht werden – in den Feri­en­mo­na­ten als Kin­der­er­ho­lungs­heim, an den Wochen­en­den als Lehrzentrum.

ERHOLUNG FÜR ERWACHSENE

Einer der wich­tigs­ten Auf­ga­ben­ge­bie­te der Volks­hil­fe Wien war seit jeher die Betreuung älterer, allein­ste­hen­der Menschen. Während man in den letzten Jahr­zehn­ten in erster Linie auf die pro­fes­sio­nel­le Pflege und Betreuung älterer Menschen als sozialer Dienstleister setzt, lagen die Schwer­punk­te in der Senior*innenbetreuung in den ersten Jahren des Bestehens eher auf der Fürsorge ver­ein­sam­ter und mit­tel­lo­ser Menschen. Das Erlebnis eines sor­gen­frei­en Urlaubs sollte besonders dieser Ziel­grup­pe etwas Ablenkung und Zer­streu­ung bringen. In den Urlaubs­hei­men der Lan­des­ver­ei­nes Wien in Neuhaus, Sau­er­brunn, Schönbach, Schrat­ten­bach, Aigen, St. Corona, Win­ter­bach, Bernstein, St. Kathrein, Hörndl­wald, Sieg­gra­ben und Stuben ver­brach­ten über die Jahr­zehn­te tausende Menschen ihre Ferien. Mit dem damaligen Für­sor­ge­re­fe­rat der Stadt Wien wurde dahin­ge­hend ein Abkommen getroffen, dass ständig 70 von der Gemeinde Wien “Dau­er­be­für­sorg­te” in Heimen der Wiener Volks­hil­fe auf­ge­nom­men wurden. Man war auch bemüht, die Pen­si­ons­prei­se so niedrig wie möglich zu halten. Bei beson­de­rer Bedürf­tig­keit gewährten die Wiener Volks­hil­fe und die Bezirks­grup­pen Zuschüsse oder Frei­plät­ze. Die Mittel dazu wurden größ­ten­teils durch Los­ver­kauf aufgebracht.

MODERNER SOZIALER DIENSTLEISTER

Mitt­ler­wei­le ist die Volks­hil­fe Wien mit 4.000 Mit­glie­dern einer der stärksten kari­ta­ti­ven Vereine in Wien. In Not geratene oder hilfs­be­dürf­ti­ge Menschen zu versorgen und zu betreuen, ist nach wie vor das zentrale Auf­ga­ben­ge­biet der Volks­hil­fe Wien. Sie erfüllt aber nicht nur huma­ni­tä­re Hilfe, sondern ist auch Dienst­leis­te­rin im Auftrag der Gemeinde Wien für die Bereiche Pflege und Betreuung, Woh­nungs­lo­sen­hil­fe, Delo­gie­rungs­prä­ven­ti­on, Arbeits­in­te­gra­ti­on, Flücht­lings­be­treu­ung sowie Kinder- und Jugend­be­treu­ung. Zu den Aufgaben des Vereins zählen zudem noch die Sozi­al­be­ra­tung, ein Klei­der­la­ger für Bedürf­ti­ge und Akti­vi­tä­ten im Bereich der Aus­lands­hil­fe. Mit der Gründung einer eigenen Jugend­in­itia­ti­ve, der Jungen Volks­hil­fe, bietet die Volks­hil­fe Wien jungen Menschen eine besondere Mög­lich­keit, sich sozial zu engagieren.

Die Volks­hil­fe Wien beschäf­tigt rund 1.500 Mitarbeiter*innen. Davon sind allein etwa 800 Mitarbeiter*innen im Bereich mobile Pflege tag­täg­lich im Einsatz – sie betreuen und versorgen die Menschen vor Ort. Im ehren­amt­li­chen Bereich unter­stüt­zen mehr als 200 Funktionär*innen, die sich in unab­hän­gi­gen Bezirks­grup­pen orga­ni­siert haben, die Arbeit der sozialen Orga­ni­sa­ti­on. Ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment findet auch in vielen anderen Bereichen der Orga­ni­sa­ti­on statt.
Im Mit­tel­punkt der Mensch ist nicht nur kom­mu­ni­ka­ti­ver Leitsatz, sondern seit mitt­ler­wei­le über 70 Jahren inte­grier­ter Bestand­teil der täglichen Arbeit und des Einsatzes für Menschen in Not.

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