Die Brücken­bauerin: Wie Candra Migrant*innen durch das öster­rei­chi­sche Gesund­heits­sys­tem lotst

Die Brücken­bauerin: Wie Candra Migrant*innen durch das öster­rei­chi­sche Gesund­heits­sys­tem lotst

Menschen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund werden in Schu­lun­gen zu frei­wil­li­gen Gesundheitslots*innen aus­ge­bil­det, um andere Migrant*innen kul­tur­sen­si­bel und in deren Mut­ter­spra­che über Gesund­heits­sys­tem und ‑themen zu infor­mie­ren: Das ist das Volks­hil­fe Wien Projekt “Gesundheitslots*innen” in einem Satz zusammengefasst.

Zu erzählen gäbe es viel über das Projekt: Etwa, dass Menschen in schwie­ri­gen sozialen oder finan­zi­el­len Lebens­um­stän­den oft nicht aus­rei­chend darüber infor­miert sind, welche Mög­lich­kei­ten der Gesund­heits­ver­sor­gung ihnen zur Verfügung stehen. Viele sind sich auch nicht bewusst, welche Gesund­heits­leis­tun­gen sie brauchen. Migrant*innen sind besonders häufig davon betroffen.

Hier kommen die frei­wil­li­gen Gesund­heits­lot­sin­nen und ‑lotsen ins Spiel. Eine davon ist Candra Liem Kaufmann. Die Wienerin mit indo­ne­si­schen Wurzeln ist seit erster Stunde bei dem Projekt dabei. Sie inter­es­siert sich sehr für Gesund­heits­the­men und arbeitet gerne mit Menschen — die perfekte Kombi als Gesundheitslotsin.

Wir haben mit Candra über ihre Aufgabe und die schönsten Momente als Gesund­heits­lot­sin gesprochen.

  • Magst du uns kurz etwas über dich erzählen?

Ich heiße Candra, komme aus Indo­ne­si­en und habe auf der Uni Wien Sinologie, Sozio­lo­gie, Englisch, Japanisch und Chi­ne­sisch studiert, weil ich mich immer für Menschen und Kulturen inter­es­sie­re. Besonders Bezie­hun­gen und wie Menschen sich verhalten, fas­zi­nie­ren mich sehr.
Ich arbeitete immer sehr gern mit Menschen, so war ich als Inter­viewe­rin in einem Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tut, Office-Managerin in einer inter­na­tio­na­len Frau­en­or­ga­ni­sa­ti­on, und als Gast Dozentin tätig. Seit einigen Jahren bin ich als Schul­vor­tra­gen­de engagiert. Ich habe ange­fan­gen, mich mit dem Thema Gesund­heit zu beschäf­ti­gen, als ich selbst mit Gesund­heits­pro­ble­men kon­fron­tiert wurde. Seitdem beschäf­ti­ge ich mich sehr intensiv mit dem Thema Gesund­heit, Ernährung und Körper. In meiner Freizeit lese ich Bücher und besuche auch Gesund­heits­se­mi­na­re und Kurse. Es war schon ziemlich peinlich, wenn einige Kol­le­gIn­nen oder sogar Unbe­kann­te mich anspre­chen, dass sie mich immer wieder irgendwo und “überall” in Gesund­heits­ver­an­stal­tun­gen finden. Eine Trainerin hat mich gefragt, “Was willst Du mit Deinem Wissen machen? Du bist ja wie ein Gesundheitslexikon.”
Das Projekt Projekt „Gesundheitslots*innen” hat mir sofort gefallen, ich habe viele Leute aus unter­schied­li­chen Kulturen ken­nen­ge­lernt, konnte nicht nur mein Wissen vertiefen, sondern auch wei­ter­ge­ben, nicht nur an meine eigene Community, sondern an viele unter­schied­li­che Gruppen.

  • Wieso findest du es wichtig, dass es solche Projekte gibt?

Mir ist bewusst, dass genug Gesund­heits­in­for­ma­tio­nen im Internet oder anderen Medien zu finden sind, aber viele davon sind sogar für mich, die sich fast jeden Tag damit beschäf­tigt, nicht immer so leicht zu verstehen.

  • Was genau ist deine Aufgabe als Gesundheitslotsin?

Als Gesund­heits­lot­sin, versuche ich, mit leicht ver­ständ­li­cher Sprache, die Leute über unter­schied­li­che Themen wie Ernährung und Bewegung, das Gesund­heits­sys­tem, Diabetes, usw. zu infor­mie­ren. Gesund­heits­lot­sen, wie das Wort zu “lotsen” heißt, dass ich den anderen den Weg zeige, als Wegweiser oder Brü­cken­bau­er sozusagen.
Die richtige Richtung zu zeigen, die benö­tig­ten, gut ver­ständ­li­chen Informationen zu ver­mit­teln, damit der erste Schritt passieren kann. Das ist sehr wichtig, besonders für die­je­ni­gen, die entweder wenig Deutsch verstehen, das Gesund­heits­sys­tem nicht kennen, oder beides. Nachdem die Teilnehmer*innen wissen, wo sie hingehen oder was sie für ihre Gesund­heit tun können, können sie auch weitere Informationen von Ärzt*innen und Gesundheitsexpert*innen einholen.

  • Was macht dir am meisten Spaß an der Aufgabe?

Es macht mir riesigen Spaß, mit meinem Wissen Leuten wei­ter­zu­hel­fen und sie ken­nen­zu­ler­nen. Ich lerne immer etwas Neues dabei, was mir auch wiederum Freude bereitet weil ich ein wiss­be­gie­ri­ger Mensch bin.

Es ist schön, mit unter­schied­li­chen Leuten im Gesund­heits­be­reich zusam­men­zu­ar­bei­ten, wenn man Interesse, Empathie und Ver­ständ­nis für Mit­men­schen besitzt. Dafür bin ich MfG für immer dankbar. Aber es ist noch besser, wenn man sich auch wirklich für das Thema Gesund­heit inter­es­siert und versteht. Als Gesundheitslots*innen sind wir ein Vorbild und eine Ver­trau­ens­per­son für die anderen. Wie können die anderen uns glauben, was wir ihnen erzählen, wenn wir selbst nicht davon überzeugt sind? Wie können wir den anderen sagen, dass Rauchen gefähr­lich ist wenn wir selbst rauchen? Ich selbst versuche, so gesund wie möglich zu leben, indem ich mehr über meinen Körper lerne, und ihn gebe, was ihm gut tut.

  • Gibt es ein Erlebnis, das dir besonders in Erin­ne­rung geblieben ist? Wenn ja, kannst du kurz etwas darüber erzählen?

Ich habe oft Leute getroffen, die mich mit ihrer Stärke und Per­sön­lich­keit beein­druck­ten. Schöne Über­ra­schun­gen habe ich auch erlebt, wie z.B als ein Mädchen, das in einem betreuten Haus wohnte, zu mir kam und mir ihre per­sön­li­chen Probleme erzählte, die sie nicht mal ihrer Betreue­rin und Mutter erzählt hat. Sie hat mir nach nur 2 Stunden vertraut. Ich habe ihr eine Kon­takt­adres­se gegeben, und mit ihr geplau­dert. Ein paar Monaten später sind wir einander in einem Drogerie Markt begegnet, wo sie mir erzählt hat, dass sie sich schon viel besser fühlt.

 

Mehr Informationen zum Projekt findet ihr hier.